Luther in Rom
 

Luther kam 1510 nach Rom, wo er vier Wochen verweilte. Anlass zur Romreise war der Streit unter den Augustinern über die Zukunft der strengen Observanz, die dem päpstlichen Hof unter Julius II. nähergebracht werden sollte.

Luther2017Wie sah das Stadtbild zur seiner Zeit aus? Welche Kirchen besuchte er? Was beeindruckte den jungen deutschen Augustinermönch? Die Kulturführung bringt den Besucher zu einigen Stationen, die Luther während seines Romaufenthaltes wiederholt besuchte und beschrieb.

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Luther traf im November (oder im Dezember) 1510 in Rom ein. Er hatte als junger Mönch des Erfurter Klosters eine juristische Ausbildung genossen und begleitete einen Ordensbruder über die Alpen. Luther ging über unbehagliche Pilgerwege, über den Brenner, die Schweiz, Mailand und Florenz.

Römische Adelige um 1512 Vatikan Raffael

Herrenmode zu Luthers Zeiten: Adelige um 1512 im Vatikan (Raffael)

Neben allerlei Sitten und Unsitten bemerkte er auch, daß die italienischen Schneider viel elegantere Hosen als die deutschen anzufertigen wußten. In Mailand durfte er wegen des dort gebrauchten besonderem ambrosianischen Ritus keine Messe lesen. In Florenz rühmt er nichts als die vorzüglichen Spitäler und Findelhäuser.

Welche Vorstellungen der Stadt Rom hatte Luther vor der Romreise?

Manuskript Très Riches Heures du Duc de Berry

Manuskript Très Riches Heures du Duc de Berry, 15.Jh.

Die Erzählungen der mittelalterlichen Pilger ergaben in den Quellen eine gewisse Verzerrung der Ewigen Stadt. Sie wurde mythisiert und verklärt, die topographische Wiedergabe entsprach oft dem subjektiven Erlebnis der frommen Rompilger.

 Rom war zu Luthers Zeiten noch eine mittelalterliche Stadt, die sich vorwiegend auf die Tiberniederung konzentrierte. Der antike aurelianische Mauerring war für die geschrumpfene Stadt viel zu groß. Weite Flächen bestanden aus Ruinenfeldern, in denen das Vieh weidete oder Gärten und Weinberge angelegt waren.

Braun-Hogenberg-kl 1572 Städte der Welt

"ROMA" - v. Frans Hogenberg u. Georg Braun, aus "Civitates Orbis Terrarum" 1572


Papst Martin V. schrieb im 15.Jahrhundet, daß in der Tiberniederung

"viele Einwohner Roms ... Eingeweide, Köpfe, Füße, Knochen, Blut und Haut sowie verdorbenes Fleisch und Fisch, Abfälle, Exkremente und sonstige stinkende und verwesende Kadaver auf die Straße geworfen haben.... und dreist und frevelhaft, sowohl in kirchlicher als auch in weltlicher Hinsicht, Straßen, Gassen, Plätze, öffentliche und private Gebäude an sich gerissen, verwüstet und ihrem eigenen Nutzen unterworfen haben."
Papst Julius II (1503-1513 im Amt)

Julius II., Papst von 1503-1513

Zu Luthers Romzeit regierte Papst Julius II., ursprünglich Giuliano della Rovere. Unter seinem Pontifikat (1503-13) erlebte die Stadt großangelegte urbanistische Umwälzungen. 1510-11, als Luther in Rom verweilte, wurde der Vatikanhügel einer radikalen Baukur unterzogen. Julius II. ließ die alte Peterskirche vollkommen abreißen und beauftragte Bramante zu deren Neubau. Michelangelo arbeitete gerade in der Sixtinischen Kapelle und Raffael freskierte die Privatzimmer des Papstes.

Norbert Greinacher (Professor in Tübingen) fasst diese Zeit folgendermaßen zusammen:

"Die Kirche des 15. Jhrts. war eine Institution, die sich von ihren theologischen Wurzeln (...) um die Menschen so weit entfernt hatte, dass von der ,,Sache Jesu" (...) nur noch sehr wenig zu erkennen war. Es handelte sich vielmehr um eine Institution, die hauptsächlich von Intrigen und Macht geprägt war. Die erschreckenden Schilderungen über die Ära des Renaissance-Papsttums sind bekannt, und an fürstbischöflichen Höfen und in großen Abteien (...) sah es nicht viel anders aus."  ( Quellen )


Etappen aus Luthers Romaufenthalt

Beim ersten Anblick Roms warf sich Luther mit folgenden Worten zu Boden:

Martin Luther-k um 1525 Cranach d.Ä.

Martin Luther um 1525 Cranach d.Ä.

"Sei gegrüßt du heiliges Rom, wahrhaft heilig von den heiligen Märtyrern, von deren Blut es trieft"

Luthers Interesse galt freilich nicht der genauen Berichterstattung seiner Romreise - einige Gebäude und Plätze werden aber genannt. Die Barockzeit hat viel verunklärt, aber einige Stationen sind wie zu Luthers Zeiten erhalten geblieben.

 

 

Piazza del Popolo, G.Maggi 1625 (Obelisk von 1587 künstlich entfernt)

Piazza del Popolo, Stich v.G.Maggi 1625

Piazza del Popolo und Santa Maria del Popolo

Luther reiste über die Piazza del Popolo nach Rom ein. Jeder Rombesucher, der vom Norden her kam, gelangte über die Via Flaminia in die Stadt, so z.B. auch Goethe, im Jahre 1786. Luther wohnte vier Wochen lang im naheliegenden Augustinerkloster.

 

 

Das Pantheon in Hartmann Schedels Liber Chronicarum (Nürnberg, 1493)

Das Pantheon 1493 in Schedels Liber Chronicarum

Das Pantheon

Das Pantheon beeindruckte ihn vor allem als fensterloser Bau, der seit dem 6.Jhdt. eine Marienkirche war,  den dicken Säulen und den Bildern der antiken Götter (die er verurteilt).

Das Loch im Gewölbe hingegen bezeichnet er als "Auge des Teufels", die Raumwirkung entsprach ganz und gar nicht "seiner" gewohnten Gotik mit dem nach-oben-hin strebenden, sich spiritualistisch abhebenden Raumgefühl.

 

Prophet Jesaias, Raffael 1511-12, Sant'Agostino

Prophet Jesaias, Raffael 1511-12, Sant'Agostino

Sant'Agostino

Sant'Agostino war der Sitz des Generals der reformierten Augustiner. 1511-12, also genau ein Jahr nach Luthers Aufenthalt, freskierte Raffael den Propheten Jesaias mit nackten Putten an das Langhaus der Ordenskriche.

Und wieder: eine Summa der ästhetischen Orientierung der Neuzeit. Antike Formvollendung auf ein christliches Thema übertragen.

 

Tempietto, Donato Bramante, 1502-10

Tempietto, Donato Bramante, 1502-10

Tempietto, San Pietro in Montorio

Der Rundbau am Janiculum-Hügel wurde von Donato Bramante zw. 1502 und 1510 errichtet. Er gilt als Summa des Renaissance-Gedanken in die Architektur übertragen: die Antike als ideales Vorbild, übertragen auf eine christliche Kirche.

Luther kam mit Sicherheit zu dieser entlegenen Kirche, da frühen Chroniken zufolge hier der Hl.Petrus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wurde. Zu sehr würden wir seine Gedanken über den christlichen Rundtempel wissen.

 

Santa Maria dell'anima in G.Maggi 1626

Santa Maria dell'Anima 1626

Santa Maria dell'Anima an der Piazza Navona

Im Kolleg Santa Maria dell'Anima war schon vor Luther die Kirche der deutsch-römischen Katholiken untergebracht. Die Kirche hatte noch ein mittelalterliches Aussehen, die heutige Fassade stammt von 1514, wurde also nach Luther errichtet.

Luther meint, nur hier würde man die Liturgien feierlich zelebrieren, im Gegensatz zu den römischen Priester, die seines Erachtens liturgisch wenig gebildet waren.

 


Rom als Pilgerziel zu Luthers Zeiten

"So wir Diebe mit Strang, Mörder mit Schwert, Ketzer mit Feuer strafen, warum greifen wir nicht viel mehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens als Päpste, Kardinäle, Bischöfe und das ganze Geschwür der Römischen Sodoma mit allerlei Waffen und waschen unsere Hände in ihrem Blut ..."

Pilger-kl in San Sebastiano

Pilger in San Sebastiano (15.Jh.)

So leutet eine der am meisten verklärten Aussagen Luthers über den römischen Klerus (1518, Tomos 1, Punkt II, S. 24 und 24b). In Wahrheit gestand er 1519 Rom einen besonderen Ehrenvorrang zu, weil dort die Aposteln Petrus und Paulus, 46 Päpste und hunderttausende von Märtyrer ihr Blut vergossen und Hölle und Welt überwunden hatten.
Denn Luther kam auch als Pilger nach Rom. Hier wollte er eine General-beichte ablegen. Aber er geriet an ganz ungelehrte Leute, die dieser Aufgabe keineswegs gewachsen waren. Die Messen wurden üblicherweise so schnell wie möglich absolviert, dass Luther nicht mithalten konnte.

Die Sieben Kirchen Roms, in Speculum Romanae Magnificentiae Giovanni Ambrogio Br

Die Sieben Kirchen Roms, um 1590

Sankt Peter (Vatikan)
Sankt Peter um 1450 (Rek)

Sankt Peter um 1450 (Rek.)

Luther sah weder die sog. konstantinische (mittelalterliche) Basilika, noch den Neubau von Sankt Peter. Julius II. hatte den kompletten Abbruch verordnet, durch seinen Architekten Donato Bramante. Zur Finanzierung des Renaissancebaues wurde in Roms Kirchen ordentlich für den Ablaß geworben. Der Grundstein für die neue Peterskirche legte der Papst am 18.April 1506, die Baustelle sollte 150 Jahre andauern.

Sankt Peter Rom Luftaufnahme

Sankt Peter Luftaufnahme

Nach dem Tod Julius' II. 1513 und Bramantes 1514 wurden die Arbeiten mit Unterbrechungen von Raffael, Baldassare Peruzzi, Antonio da Sangallo d.J., Michelangelo, Giacomo della Porta weitergeführt. Jeder Bauleiter änderte das Vorgefundene nach seinen Plänen. Sankt Peter hat eine der komplexesten Baugeschichten der christlichen Architektur.

 San Sebastiano (vor den Mauern)
Porta San Sebastiano Giuseppe Vasi um 1750kl

Porta San Sebastiano um 1750 (G.Vasi)

Die frührchristliche Kirche ausserhalb der Stadt an der Via Appia Antica gehörte zu jedem Rombesuch der Wallfahrer. Martin Luther notiert die hastigen Messen, die man gegen Bezahlung abhalten konnte. Er berichtet, hier zelebrierten, nur durch ein Gemälde getrennt, gleichzeitig zwei Priester an einem Altar. Binnen einer Stunde würden hier sieben Messen gefeiert.

Katakomben in Rom-kl

Katakomben in Rom

 Luther besuchte auch die Katakomben des Hl.Kalixtus, an der antiken Konsularstraße Appia gelegen. Hier würden die Toten "schränkigt" liegen, insgesamt 40 Päpste und 76.000 Märtyrer (in Wahrheit sind es eine halbe Million). Wer während einer Messe fünfmal andachtsvoll durch die Katakombe ging, konnte eine Seele erlösen.

 

 Santa Maria Maggiore (auch Santa Madre d'Iddio)

Die wichtigste Marienkriche der Christenheit wurde im 5.Jhd. von Papst Liberius auf einem heidnischen Vorgängerbau errichtet, der der Geburtshelferin Juno Lucina geweiht war.

Santa Maria Maggiore Glockenturm v.1377kl

Santa Maria Maggiore Glockenturm v.1377

Luther sah die Kirche vor den Umbauten der Spätrenaissance (ab ca. 1560). Zu seiner Zeit war die Kassettendecke soeben von Papst Alexander VI. Borgia mit dem ersten Gold aus Amerka vergoldet worden. Luther sah die frühchristlichen Mosaiken an den Langhauswänden (5.Jhdt.), den Marmorfußboden (12.Jhdt.), die Apsismosaiken von Torriti (E.13.Jhdt.), das Fassadenmosaik von Rosuti (E.14.Jhdt.).

Im Laufe der Gegenreformation förderte die Kirche als Gegengewicht zur rationellen protestantischen Lehre die der Volksfrömmigkeit entgegenkommenden Marienverehrung, die zu einer gottgleichen Stellung Mariens anschwoll. 

Laternasbasilika (San Giovanni in Laterano)
Der Lateran in der frühen Neuzeit-kl

Der Lateran in der frühen Neuzeit

Die älteste Kirche der Christenheit ist die Papstkirche schlechthin, deshalb rein formell Domkirche Roms, die Kathedrale des Papstes in seiner Eigenschaft als Bischof von Rom. An der Fassade der Kirche steht der kirchenrechtlich immer noch gültige Spruch: "Der ganzen Stadt und des ganzen Erdkreises Kirchen Mutter und Haupt".

Die Heilige Treppe am Lateran-kl

Die Heilige Treppe am Lateran

Am Lateran besuchte Luther die Scala Sancta. Hier sind heute noch 28 holzverkleidete Marmorstufen, angeblich die Stiege des Hauses von Pilatus, die Jesus hinaufgestiegen ist. Hier rutsche auch Luther auf den Knien hinauf, wobei auf jeder Stufe ein Vaterunser gesprochen wurde. Er wollte den Büßgang seinem Großvater Heine zukommen lassen. Freilich konnte er den Zweifel nicht unterdrücken: "Wer weiß, ob das war ist?"

 

 

Info zur tour

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Dauer: 3 Stunden

Anspruch: hoch

Treffpunkt: Santa Maria del Popolo - Zeit: 9:00h

Ende: Piazza Navona

Touristische Route: Nein

öffentl.Verkehrsmittel: Nein

Preis: p.P. 30€ - 90€ (je nach Teilnehmerzahl)

Zusätzl. Eintritte: nein

Rezensionen

Annelies Holger-Maisner (Hannover)
 

Die Luther-Führung war für mich genau das richtige: mein Vater ist protestantischer Pastor und ich wollte mich mal "weit weg" von ihm dem Thema nähern. Hatten eine sehr gute Führung bei Prachtwetter im Mai 2014. Kultur zum Anfühlen! Tolle Stadt.

Dr.Hans Huber
 

Hallo wir (Eheppar aus Berlin) kamen über die Rezension auf PM-History zur Luther-Führung. Wir haben die Führung bewusst zur Vertiefung gewählt, wobei ich sagen muss dass wir zum fünften Mal in Rom waren.