Veröffentlicht in Römische Impressionen

Der Boxer im Palazzo Massimo

Verfasst von Roma Cultor am 31 März 2018
Der Boxer im Palazzo Massimo

Wikipedia beginnt trocken: "Der Faustkämpfer vom Quirinal (...) ist wohl die bemerkenswerteste erhaltene Bronzestatue eines solchen Athleten – und eines von nur sehr wenigen überlieferten griechischen Originalen. Die Datierung schwankt zwischen dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. und der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Die Skulptur befindet sich heute im Museo Nazionale Romano in Rom unter der Inv.-Nr. 1055."

Der Boxer im Palazzo Massimo

Der Boxer im Palazzo Massimo

Wahrscheinlich schmückte sie einst die Thermen des Kaiser Konstantin und entkam wie durch ein Wunder den Einschmelzungen der Spätantike und des Mittelalters.

Boxer Palazzo Massimo Antike Rom

Der Fundort des Boxers 1885

Sie wurde von Bauarbeitern bei Erdaushebungen im März 1885 am Quirinalshügel gefunden, 6 Meter unter dem Bodenniveau. Sie wurde von jemanden sorgfältig hinter einer Scheinwand vermauert, in aufrechter Haltung und mit feinem Sand verschüttet, als ob man sie vor Zerstörungen schützen und der Nachwelt übergeben wollte.

Heute ist Sie im römischen Museum des Palazzo Massimo zu bewundern.

 Nach den Untersuchen vom Altertumswissenschafter und Archäologen Paolo Moreno von 2014/5 stammt diese Skultur aus dem 4.Jh. vor Christi von der Hand des großen griechischen Bildhauers Lysipp. Der deutsche Archäologe Vinzenz Brinkmann schlägt die Identifikation mit Amykos dem Sohn des Poseidon vor.

Der Boxer vom Palazzo MassimoDie nahezu lebensgroße Bronzestatue wirkt wie ein realistisches Foto: der Boxer sitzt erschöpft nach einem Kampf, seine bandagierten Oberarme auf den Schenkeln ruhend, den Kopf dreht sich nach rechts. Das gemarterte Gesicht verrät durch den halboffenen Mund Verwunderung, vielleicht kam doch von den Richtern zu seiner Rechten ein unerwarteter Sieg. Die Statue hatte ursprünglich Augäpfel aus gefärbtem Glas, die auffallenden Blutgerinnsel an Gesicht und Körper sowie die Lippen sind Einlagen aus Kupfer und stechen farblich von der grau-braunen Bronze hervor, sodass ein äußert lebensechter Eindruck entsteht.

Eine poetischere These stammt vom Kunsthistoriker Furio Durando, die wir hier auf Deutsch übersetzt wiedergeben.

 

"Mys stammte aus Tarent (eine Stadt in Apulien) und war ein gut gebauter Athlet aristokratischen Ursprungs (wie alle Profi-Sportler seiner Zeit), der seine Karriere als Loser bestritt. Er verlor alle wichtigsten Sportwettbewerbe in Griechenland, die sog. Panhellenischen Spiele (die Spiele in Olympia, die Pythische Spiele in Delphi, die Nemeischen in Nemea, die Isthmischen in Korinth)."

Der Boxer vom Palazzo Massimo"Boxen galt in der Antike als die härteste Sportart, sie blieb ein Nobelsport für Aristokraten, gekämpft wurde mit den sog. "cesti" an den Händen und Unterarmen: über einer Wollschicht wurden Riemen aus steifem Leder gewickelt, die Handknöchel mehrfach durch Schichten verstärkt. Die Wirkung am Gesicht des Gegners war verheerend, Platzwunden und Hämatome waren die Folge, wenige gekonnte Schläge und die Geschicklichkeit war beeinträchtigen."

"Der muskulöse Mys erreichte das 40 Lebensalter ohne je was gewonnen zu haben, vielleicht wurde er von seinen Landsmännern wegen des Aussehens verspottet. Sein Gesicht war verstellt von Narben und Schwellungen, die Wangenknochen durch mehrfache Brüche verzogen, sein Nasenbein schief, sein Unterkiefer kaputt, die Oberlippe durch die fehlenden Zähne ins Oberkiefer einfallend, vollkommen Taub an einem Ohr, das Knorpelgewebe der Ohrmuscheln verstellt durch alte nie verheilte Blutergüsse."


2018 gab es in der Frankfurter Skultpurensammelung am Liebieghaus die Ausstellung „Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies", wo der Archäologe Vinzenz Brinkmann und sein Team die originale Farbigkeit der Statue rekonstruiert haben.

Der Boxer

Rekonstruktion des Amykos 2018 © Frankfurt am Main, Liebieghaus Skulpturensammlung, Foto: Vinzenz Brinkmann