Mozart (1756-1791) besucht mit seinem Vater Leopold die heilige Stadt. Er ist seit einem Jahr in Italien unterwegs. Der 14-jährige ist als Wunderknabe schon berühmt: er gibt Konzerte in Verona, Mailand und Bologna. Eine Star war geboren - der Papst verlangte nach einer Vorführung.
In Rom wird er von Papst Clemens XIV Ganganelli (Papst von 1769 bis 1774) empfangen. Die Karwoche lockte wie jedes Jahr viele Pilger an. Besonders die ernste Feierlichkeit der Tenebren, der dunklen Metten, zog die Schar der Gläubigen in die Sixtinische Kapelle.
Die Ewige Stadt war zu Clemens XIV. Zeiten kein großer kultureller und politischer Mittelpunkt mehr. Zu dieser Zeit reiste man in die Stadt um sich der Vergangenheit zu widmen, nicht um das Weltgeschehen mitzuprägen. Das 17.Jhdt. ist die Zeit Frankreichs mit Ludwig XVI. Rom bleibt zwar die Stadt der Religion und das Zentrum der Missionen, die politische Rolle des Papstes beginnt aber langsam zurückzugehen.
Die Sixtinische Kapelle war ein akustisch hervorragender Platz für die Papstgottesdienste und der letzte Hort der a-capella-Praxis. Das Sängerkolleg, welches zu ihrer Zeit zu den besten Europas zählte, hatten für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste, Feste und Prozessionen zu sorgen. Es wurden nur die besten Sänger aus ganz Europa herangezogen, unter ihnen viele Kastraten.
Der Knabe lauscht einer himmlischen Musik.
Der Ruf dieser Komposition, die die Worte des 50. Psalms zum Inhalt hat und bis 1870 jeweils am Mittwoch und Freitag der Karwoche gesungen wurde, war so großartig, daß im 18. Jahrundert kaum ein Romreisender auf das Erlebnis dieser Gottesdienste verzichten wollte. Der Mythos, der um Allegris eindrucksvollen Trauermetten entstand, war enorm: Der Papst hütete sie wie ein heiliger Schatz. Das Abschreiben war bei Strafe der Exkommunikation verboten.
Das Miserere von Gregorio Allegri, vom Chor des Claire-College, Cambridge:
Der kleine Mozart nahm diese Herausforderung an und lauschte dem Stück sein Geheimnis ab. Nach einmaligem Hören, schrieb er es aus dem Gedächtnis nieder. In einem Brief vom 14. April 1770 berichtet Vater Leopold an seine Frau:
„Allein wir haben es schon. Der Wolfgang hat es schon aufgeschrieben, und wir werden es mit nach Hause bringen.“
Ganz so streng wurde das Verbot des Kopierens aber nicht gehandhabt. Es gibt Nachweise, daß der Papst Abschriften des Miserere an Musikhistoriker oder gekrönte Häupter wie den König von Portugal oder den österreichischen Kaiser Joseph II. verschenkt hatte. Und auch von Mozarts genialem „Hör- Streich“ wußte der Papst.