Die kleine Kapuzinerkirche Santa Maria della Concezione an der Piazza Barberini in Rom ist vor allem wegen der gruseligen Knochengruft im Kellergeschoß berühmt. Wenig bekannt ist die eigentliche Kirche, wo sich (erste Kapelle rechts) ein Juwel der europäischen Barockmalerei befindet:
Der Auftraggeber gehörte zur Oberliga: der Kardinal Antonio Marcello Barberini war Bruder vom Barockpapst Urban VIII und als Jurist am Hofe des mächtigen Onkels tätig.
Die Familie hatte neben der Kirche ihren stattlichen Stadtpalast, den Palazzo Barberini. Der Kardinal war selbst Franziskanermönch und wurde 1646 in dieser kleinen Kirche begraben.
Die Maße des Bildes sind beachtlich: 293 x 202 cm. Technisch bemerkenswert ist die Ölmalerei auf einem Seidentuch (statt auf Leinen, wie üblich).
Dargestellt ist einer der drei Erzengel, Michael, als “Befehlshaber der himmlischen Armee”: Mit ausgezogenem Schwert drückt er den angeketteten Luzifer (=Satan) siegreich zu Boden. Zur Zeit seiner Entstehung war die "Gefahr" Luthers in Rom bereits gebannt, der Erzengel Michael wurde als Verteidiger und Beschützer der Kirche und des Glaubens weiterhin verehrt.
“Vorrei aver avuto pennello angelico, o forme di Paradiso per formare l’Arcangelo, o vederlo in Cielo; ma io non ho potuto salir tant’alto, ed invano l’ho cercato in terra. Sicché ho riguardato in quella forma, che nell’idea mi sono stabilita”.
Der Maler Guido Reni (1575-1642) schreibt in einem Brief an den Hausmeister des Papstes, dass er lieber einen göttlichen Pinsel verwendet hätte, um den Erzengel zu malen. Da er aber auf der irdischen Welt keinen finden konnte, hätte er ihn nach seiner idealen Vorstellung des Übermenschlichen gemalt. Der Engel gilt also als das Schöne schlechthin, und wenn es ein Ideal der Schönheit gibt, muß es auch eines der Häßlichkeit geben.
In Rom eiferte Guido Reni dem idealisierten Raffael-ähnlichen Idealstil nach. Das Schöne sei nicht in der genauen Naturbeobachtung zu finden sondern existiere in einem Idealzustand, den der Künstler anstreben müsse. Dieser Zugang war zu seiner Zeit neu, denn "mainstream" der anderen Richtung waren die Zeitgenossen Caravaggio und Annibale Carracci, die sich eher an die Natur orientierten.
Das Gemälde wurde bald weltberühmt, das Sujet erschien auf zeitgenössischen Münzprägungen oder auf modische Broschen, durch Kupferstiche oder Kopien gelang die Darstellung des Erzengels v.a. im 19.Jhd. in die ganze Welt: als Idealbild von Kampf zwischen Gutem und Böse schlechthin.
1753 gelang eine Interpretation des Erzengels auf die Spitze der Engelsburg.